Beschreibung der Hospitationsstelle

Für meine Hospitation im Rahmen der Ausbildung zum Wundexperten ICW habe ich mir das interdisziplinäre Wundzentrum der Ammerland-Klinik in Westerstede unter der Leitung von Dr. med. Stefan Nordbruch ausgesucht. Das Wundzentrum hat in seiner Sprechstunde von Montags bis freitags, jeweils von elf bis dreizehn Uhr, rund zweitausendfünfhundert Patientenkontakte im Jahr. Unterstützt wird Dr. Nordbruch durch die examinierte Krankenschwester Heike Ebelt, die ausgebildete Wundexpertin nach ICW ist. Beide haben eine hausinterne Vertretung im Falle von Krankheit oder Urlaub. Des Weiteren arbeitet das Wundzentrum in einem umfassenden Netzwerk aus Ärzten, Therapeuten und Pflegediensten. So besteht z.B. eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Gefäßchirurgischen Abteilung im Hause, wo Patienten regelmäßig zur Gefäßdiagnostik vorgestellt werden. Das Spektrum der Wundbehandlungen beinhaltet neben Dekubitus, Ulcus Cruris und Diabetischem Fuß auch postoperative, nicht heilende Problemwunden und Wunden bei Durchblutungsstörungen. Hierzu steht eine breite Palette von Verfahren der modernen Wundversorgung und der Diagnostik zur Verfügung. Dies beinhaltet u.a. Madentherapie, Vakuumversieglung, Wound EL, Ultraschallverfahren als auch Hydroaktiv- und Silberverbände. Für die Durchführung der Wundsprechstunde steht eine eigene Räumlichkeit zur Verfügung.

 

Fallbearbeitung

Vorinformationen

Frau Q. wurde mir im Rahmen meiner Hospitation im Wundzentrum der Ammerland-Klinik vorgestellt, wo sie seit ca. zwei Jahren Patientin ist und sich regelmäßig alle vier Wochen vorstellt. Im Anschluss habe ich Frau Q. Zuhause besucht wo ich mir ein Bild über ihre soziale Situation und ihre Krankheitsgeschichte machen konnte.

Anamnese

Frau Q. ist 77 Jahre alt und seit sieben Jahren verwitwet. Vor zwei Jahren ist sie aus einem großen Haus, welches sie mit ihrem Mann bewohnt hatte, in ein kleineres gezogen. Hier wohnt sie zusammen mit einem großen Hund der viel Auslauf benötigt. Der Hund war der letzte Wunsch ihres Mannes der wollte, dass sie nicht allein ist wenn er nicht mehr da ist. Sohn und Tochter wohnen im gleichen Ort und unterstützen ihre Mutter sehr, die allerdings sehr auf ihre Eigenständigkeit bedacht ist und möglichst viel selbst machen will. So hat sie bis zum letzten Jahr auch noch im Garten gearbeitet und ist täglich mit ihrem Hund spazieren gegangen. Dies ist nun seit einigen Monaten nicht mehr möglich da sie in der Badewanne gestürzt ist und sich am Rücken verletzt hat. Dies führte dazu, dass sie ein Korsett tragen muss. Trotz des Sturzes weigert sie sich einen Hausnotruf anzuschaffen. Auch besteht sie darauf, dass ihr Bett im ersten Stock bleibt, da sie das Treppensteigen als eine Art Fitnesstraining sieht. Des Weiteren wartet sie auf eine Hüft-OP die aufgrund eines bestehenden Ulcus Cruris zurzeit noch nicht durchgeführt wird. Schmerzmäßig ist sie mit Novalgin, Diclofenac und Tilidin abgedeckt. Allerdings bekommt sie keinen Magenschutz. Am meisten zu schaffen macht ihr, dass sie nicht mehr im Garten arbeiten und mit ihrem Hund spazieren gehen kann. Ihre Motivation bezieht sie daraus dies bald wieder machen zu können. Im Haus bewegt sie sich ohne Hilfsmittel, außerhalb ist sie auf kurzen Strecken Rollator mobil. Frau Q. die früher als Bedienung gearbeitet hat, leidet seit der Geburt ihres Sohnes vor 46 Jahren an offenen Beinen. Laut ihrer Aussage kann sie sich nicht erinnern, dass in dieser Zeit jemals die Wunden komplett verheilt gewesen sind und sie sich mittlerweile damit abgefunden hat dies für den Rest des Lebens zu haben. Auch bei ihrer Mutter habe diese Problematik bestanden. Nachdem sie über die Jahre hinweg bei mehreren Hautärzten und Krankenhäusern in Behandlung war, wird sie seit ca. zwei Jahren in Westerstede behandelt wo mittlerweile beidseits eine Mesh-Graft-Transplantation durchgeführt wurde. Der Ulcus Cruris auf der rechten Seite ist nahezu abgeheilt. Von gefäßchirurgischer Seite wurde beidseits eine Varikose und CVI diagnostiziert. Beide Beine werden täglich vom häuslichen Pflegedienst mit Kompressionsbinden gewickelt, was Frau Q. nicht immer toleriert. So hat sie in der Vergangenheit bereits mehrfach die Wickel ein Stück weit aufgeschnitten, weil sie dies als angenehmer empfunden hat, weil es unter dem Verband gejuckt hat und sie sich dort nicht kratzen konnte, was sie zeitweise sehr intensiv getan hat. Dadurch sind kleinere Wunden entstanden. Bei einem hautärztlichem Konsil konnte keine dermatologische Ursache festgestellt werden, so dass man von Nervosität ausgeht. Frau Q. wurde zu einer guten Hautpflege bei jedem Verbandswechsel angehalten. Beine werden bei jedem Verbandswechsel alle 2 bis 3 Tage eingecremt. Seit einem halben Jahr ist eine deutliche Besserung zu bemerken.

Wundbeurteilung

Frau Q. hat jeweils eine ulzerierende chronische Wunde am linken Außen- und Innenknöchel, die beiden im Mai eine Mesh-Graft erhalten haben. Die Wunde am Außenknöchel hat einen Durchmesser von 3-4 Zentimetern und die am Innenknöchel von 2-3 Zentimetern. Beide Transplantate sind weiterhin fibrinbelegt. Auch besteht unverändert eine Mazeration im Randbereich, was daraufhin zurückzuführen ist das leider beim Verbandswechsel immer wieder der Verband, mit der Begründung der Kostenersparnis, auf Wundgröße zurechtgeschnitten wird und nicht überlappend auf die Wunde gelegt wird. Auf beiden Wunden sind Epithelinseln zu sehen. Das Wundexudat ist leicht grünlich und geruchlos. Die Wunde ist schmerzfrei. In den Zehenzwischenräumen als auch oberhalb der Zehen ist die Haut mazeriert.

 

Therapieplan

Erläuterung des vorgefundenen Therapieplans

Nach dem Entfernen des alten Verbandes wird die Wunde mit einer mit Octenisept befeuchteten Debrisoft Kompresse gereinigt. Das Reinigen der Wunden mit Debrisoft wurde von Frau Q. als sehr angenehm, da schmerzfrei, empfunden. Mit Debrisoft ist ein schmerzarmes mechanisches Debridement möglich. Neben Fremdkörpern und Exsudat aus einer Wunde werden auch Schuppen und Keratosen von der umliegenden Haut entfernt. Wobei neu eingewachsenes Granulationsgewebe und Epithelzellen geschont werden.

Als Wundspüllösung wurde Octenisept gewählt, da durch Wundabstriche in der Vergangenheit eine hohe Keimbesiedlung in den Wunden nachgewiesen werden konnte und die Wunden somit als infektionsgefährdet betrachtet werden können. Im Anschluss wird noch versucht mit einer sterilen Pinzette lose Fibrin Beläge zu entfernen.

Für den Wundrandschutz wird Cavilion eingesetzt um die Haut vor Exsudat und Mazeration zu schützen. Bei der Hautpflege  ist zu beachten, dass die Hautpflegecreme nicht auf die vorher mit Cavilion versorgten Hautpartien kommt, da sonst die Wirkung von Cavilion herabgesetzt werden kann.

Als Wundauflage wurde mit Aquacel Foam Ag ein Schaumverband mit Silberionen gewählt. Ein Schaumverband wurde gewählt weil die Wunden weiterhin Sekret absondern und diese Art von Wundauflage eine große Menge an Wundexudat aufnehmen kann, so dass kein täglicher Verbandswechsel notwendig ist. Dies spart Kosten und steigert die Lebensqualität der Patientin die dadurch nicht jeden Tag auf den Pflegedienst warten muss. Außerdem ist die Wundauflage aufgrund seiner flüssigkeitsaufnehmenden Eigenschaften gut unter Kompressionsverbänden einzusetzen. Normale Schäume haben den Nachteil, dass sie wenn sie gesättigt sind Mazerationen der Umgebungshaut verursachen können. Dies wird hier verhindert da Aquacel eine Hydrofaser ist welches sich bei Kontakt mit Wundexsudat in ein formstabiles Gel wandelt und nur in die Höhe quillt, so dass bei richtiger Handhabung die Wundumgebung geschont wird da sich die Feuchtigkeit nicht über den Wundrand ausdehnt. Wenn der Verband nicht auf Wundgröße zugeschnitten wird, was leider in der häuslichen Versorgung mehrfach geschehen ist und so zu Mazerationen geführt hat. Ein weiterer Vorteil von Aquacel Foam Ag ist, dass sich der Verband an das Wundbett anpasst und so Toträume minimiert, in welchen sich Bakterien vermehren können. Ein Wundabstrich zeigt, dass die Wunden mit mehreren Keimen wie Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und Enterococcus faecalis besiedelt sind. Da Ulcus Cruris infektionsgefährdet sind und die nachgewiesene Keimbesiedlung führten dazu, dass eine Wundauflage mit Silberionen gewählt wurde. Da die Wundreinigung mit Octenisept durchgeführt wurde, muss darauf geachtet werden, dass vor der Applikation von Aquacel Foam Ag die Wunde mit Ringerlösung oder physiologischer Kochsalzlösung gespült wird.

Die Mazerationen in den Zehenzwischenräumen und oberhalb der Zehen werden mit Cutimed Sorbact versorgt. Vorteil gegenüber einer normalen Kompresse ist, dass sie nicht mit der Wunde verkleben. Durch die Mazerationen speziell in den Zehenzwischenräumen besteht eine erhöhte Gefahr eines Erysipels am linken Unterschenkel. Da Cutimed Sorbact Wundbakterien aus kontaminierten Wunden entfernt, dient es so zur Prophylaxe um ein Erysipel zu verhindern.

Eigene Einschätzung

Der Therapieplan entspricht den uns im Seminar vermittelten Maßnahmen, was ich auch nicht anders erwartet hatte, da die Wundambulanz von unseren Dozenten aus dem Seminar geleitet wird. Da an meinem Arbeitsplatz die meisten der oben genannten Materealien nicht zur Verfügung stehen, müsste ich mich hier anderer Produkte bedienen, aber grundsätzlich stimme ich mit der Therapieauswahl überein. Speziell der Einsatz von Aquacel Foam Ag hat mich überzeugt, da hier die Vorteile eines Schaums mit denen der Hydrofaser kombiniert werden.

Begleittherapie

Die Haut an den Beinen ist sehr trocken und schuppig. Deshalb wird begleitend zur phasengerechten modernen Wundversorgung bei jedem Verbandswechsel eine Hautpflege durchgeführt. Nach dem waschen werden die Beine mit 3M Medica Basiscreme eingecremt, um Hautaustrocknung durch die Kompressionsverbände zu verhindern, was zu Hautrissen und Juckreiz, der Frau Q. über längere Zeit plagte und sie zum Kratzen animierte, zu verhindern und die Hautschutzbarriere zu erhalten. Die Basiscreme wurde gewählt weil sie parfümfrei und ohne Farbstoffe ist. Darüber hinaus zieht sie schnell ein. Was von Vorteil ist weil anschließend noch Kompressionswickel angelegt werden. Die Hautpflege erfolgte alle zwei bis drei Tage im Rahmen des Verbandwechsels.

Aufgrund ihrer diagnostizierten beidseitigen CVI wird Frau Q. zusätzlich mit der Kompressionstherapie behandelt. Diese wird mit dem UrgoK2- Kompressionssystem durchgeführt. Da Frau Q. zuhause von häufig wechselnden Pflegekräften, mit unterschiedlicher Qualifikation versorgt wird, sehe ich in diesem zweilagigen Kompressionsverband einen eindeutigen Vorteil gegenüber normalen Kurzzugbinden, da bei ersteren keine aufwendige Kompressionstechnik beherrscht werden muss und sichergestellt ist, dass mit einer Polsterung gewickelt wird, was leider bei Kurzzugbinden noch allzu oft nicht der Fall ist. Hinzu kommt, dass der  UrgoK2 nicht verrutscht und den Anlagedruck bis zum nächsten Verbandswechsel hält. Da Frau Q. sehr aktiv ist, ist bei ihr ein verrutschen der Binden sehr wahrscheinlich.

Ausblick

Eine Mesh-Graft-Deckung ein Jahr zuvor am rechten Fuß ist zum heutigen Zeitpunkt nahezu abgeheilt. Dieser Ulcus hatte ähnliche Ausmaße wie der am linken Bein. Auch bei der arteriellen Doppleruntersuchung konnten nahezu identische Werte festgestellt werden. Ein Umstand der nicht nur Frau Q. positiv in die Zukunft sehen lässt. Aufgrund des Erfolges auf der rechten Seite hat sie sehr großes Vertrauen in die Wundambulanz in Westerstede. Den Vorschlag ihrer Kinder es noch einmal in einem anderen Krankenhaus zu versuchen lehnte sie rundweg ab. Frau Q. ist sehr motiviert nach erfolgter Hüft-OP wieder im Garten arbeiten und mit ihrem Spazieren gehen zu können. Diese OP wird allerdings erst nach erfolgreicher Wundheilung des Ulcus Cruris durchgeführt. Frau Q. unterstützt die Wirkung der Kompressionstherapie durch aktive Bewegung, allerdings reduziert sie diese immer wieder auch durch das Einschneiden der Binden. Insgesamt gesehen arbeitet sie aber sehr aktiv mit um eine Heilung herbeizuführen. Trotzdem das Spalthautpräparat nur zu 40 % angegangen war, zeigten sich bei den letzten Besuchen in der Wundambulanz Tendenzen einer langsam fortschreitenden Wundheilung, so hat z.B. der Fibrin Belag auf den Wunden deutlich abgenommen. Schwierigkeiten bereitet die teilweise unsachgemäße Anwendung von Aquacel Foam Ag durch den Pflegedienst, die aus Kostengründen den Verband auf Wundgröße zuschneiden. Dies führt dazu, dass das Wundsekret ungehindert auf die umgebende Haut fließen kann und so zu Mazerationen führt. Insgesamt ist aber ein Fortschritt zu erkennen, auch wenn bis zu einer vollständigen Abheilung noch einige Zeit vergehen wird. Auch die fast komplett epithelisierte Wunde am rechten Fuß hat über ein Jahr gebraucht bis zum heutigen Zustand.

 

Evaluation

Da ich mich mittlerweile seit 20 Jahren mit der Versorgung von chronischen Wunden beschäftige und viele Fortbildungen besucht habe u.a. Pflegeexperte Dekubitus (ICW), war der theoretische Unterricht für mich vor allem eine Auffrischung bzw. Vertiefung meiner schon vorhandenen Kenntnisse. Hierzu gehörte vor allem der Überblick über die mittlerweile sehr breite Palette an Wundversorgungsprodukten und ihrer praktischen Anwendung. Durch meine Hospitation wurde dies noch einmal vertieft, da ich hier Produkte praktisch anwenden konnte die ich bis dahin nur theoretisch kannte. Dadurch ist es mir in Zukunft möglich, die unterschiedlichen Produkte aus eigener Erfahrung zu beurteilen und ggf. auf ein Alternativprodukt zurück zu greifen das mir bekannt ist. Da in meinem Haus die Wundversorgung eher ein Nebenprodukt der Patientenversorgung ist, muss ich zurzeit noch mit einer geringen Auswahl an Wundversorgungsprodukten auskommen, was die Umsetzung einiger Unterrichtsinhalte erschwert. Leider musste ich feststellen, dass ich den Themen Schmerz und Ernährung bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet habe, dies hat sich mittlerweile geändert. Auch was das Thema Dokumentation betrifft, konnte ich einige neue Erkenntnisse mitnehmen. Während der Hospitation konnte ich gut meinen Wissensstand überprüfen und sehen wo ich noch Lücken habe, aber auch wo ich schon einen guten Wissensstand besitze.

 

Literaturnachweis

Moderne Wundversorgung (Kerstin Protz)

Wundauflagen für die Kitteltasche (Anette Vasel-Biergans und Wiltrud Probst)

Script Seminar „Zertifizierter Wundexperte ICW“

Homepage der Firmen 3M und Convatec