Geher Ritzenhoff holt Medaille bei DM

Genau 56 Jahre ist es nun her, dass letztmalig ein Oldenburger Geher an einer Meisterschaft teilgenommen hat. Im Jahre 1959 war es Axel Lienemann vom VfL Oldenburg, der anlässlich der Deutschen Meisterschaften im 50 km Straßengehen in Delmenhorst am Start war und dort 5:43 Std. erzielte. „Axel war dann noch ein paar Jahre aktiv, aber danach habe ich in Oldenburg keinen Geher mehr gesehen“, erinnert sich VfL Urgestein Bernhard Sager. „Er war eher Langstreckenläufer und hat das Gehen wohl gelegentlich "nebenbei" betrieben“, ergänzt DLV-Statistiker Jörg Reckemeier. Sechsundfünfzig Jahre später war es Andreas Ritzenhoff, der die Nachfolge seines Vereinskollegen antrat und als erster Oldenburger Geher seit damals wieder an einer Meisterschaft teilnahm. Wieder waren es Deutsche Meisterschaften. Diesmal die 5000 m Bahnmeisterschaften am vergangenen Samstag in Düsseldorf. Bei tropischen Temperaturen im Rather Waldstadion kam Ritzenhoff gut in den Wettkampf. Vom Start weg hatte er Anschluss an eine Gruppe gefunden und absolvierte die ersten zwei Kilometer in 10:55 Min., was auf eine Endzeit von 27:30 hinausgelaufen wäre. „Ich habe innerhalb von einer Runde drei Verwarnungen bekommen und habe vorsichtshalber das Tempo reduziert um mich besser auf meine Technik konzentrieren zu können“, erklärt der Oldenburger warum er sich aus der Gruppe zurückfallen lassen  musste. Am Ende reichte es in 28:25 nicht nur zu einer neuen Bestzeit sondern auch zu Platz Drei.

Anfang August stehen dann noch die Seniorenweltmeisterschaften in Lyon als absoluter Saisonhöhepunkt auf dem Plan. Dabei ist Ritzenhoff eigentlich noch ein „Anfänger“ als Geher. Erst im Herbst 2013 begann der damals 46jährige Mittelstreckler (800m-Bestzeit: 1:54,67), eher unfreiwillig, mit dem Gehen. „Beim Halbmarathon in Oldenburg habe ich einen Geher gesehen und mir gedacht, dass kannst Du auch mal versuchen. Ein paar Wochen zuvor hatte ich vom Arzt Bescheid bekommen, dass ich mit meinen Knien nicht mehr würde laufen können. Ich habe es mit Aquajogging und Rennradfahren versucht, aber das war nicht zufriedenstellend für mich. Da ich schon während meiner Übungsleiterausbildung mit dem Gehen in Kontakt gekommen bin habe ich es einfach ausprobiert“, erzählt der „Einzelkämpfer“ in Sachen Gehsport. Ritzenhoff suchte nach Informationen im Internet und ließ seine ersten Trainingseinheiten von seinem Sohn auf Video aufnehmen. Als Autodidakt versuchte er seine Technik zu verbessern. „Anfangs hatte ich kein gestrecktes Knie beim Gehen und auch noch eine Flugphase. Außerdem habe ich ziemlich mit den Hüften gewackelt und so zu viel Energie für die Seitwärtsbewegung verbraucht, die mir dann in der Vorwärtsbewegung gefehlt hat“. Nachdem er an zwei Volksläufen teilgenommen hatte, den ersten beim famila-Lauf (31:11), kam er im Mai 2014 zum VfL. Hier konnte er sich schnell verbessern. War er bei seinen ersten Tempoversuchen noch 34:30 Minuten über 5 km gegangen konnte er sich nun schnell auf eine Zeit von unter dreißig Minuten verbessern. „Mein Trainer Jürgen Wegner hat mir schnell das überflüssige Hüftwackeln abgewöhnt und durch das Intervalltraining konnte ich mich schon nach kurzer Zeit verbessern. Auch meine Technik verbesserte sich schnell, so dass ich in meinem ersten offiziellen Wettkampf zu meiner großen Freude nur eine gelbe Kelle zu sehen bekam“. Dass Geher ein Akzeptanz Problem haben und belächelt werden, war Ritzenhoff schon aus seiner aktiven Zeit als Läufer bekannt. Aber nun erlebt er das an eigener Haut. „Das ich belächelt werde und mir Kommentare von Passanten sowie von Läufern anhören musste war anfangs schon ein wenig gewöhnungsbedürftig. Zugegeben wir sehen teilweise schon etwas komisch aus. Aber mittlerweile treffe ich immer öfter Läufer die darüber staunen wie schnell ich unterwegs bin“. Kein Wunder, geht er doch im Training 1500 m Intervalle in einem Tempo von knapp über siebeneinhalb Minuten. Nicht wenige Läufer laufen in dieser Zeit gerademal etwas mehr als einen Kilometer. Freuen würde sich Ritzenhoff wenn sich irgendwann andere interessierte Mitgeher zum Aufbau einer kleinen Trainingsgruppe finden würden.