Das härteste Rennen seines Lebens

Er hat die Alpen überquert und die Sahara durchlaufen. Aber 320 km inclusive 11.700 Höhenmeter, das war selbst für Extremsportler Michael Groth eine ganz neue Herausforderung. Es sollte das bisher härteste Rennen seines Lebens werden. Gerademal 90 Stunden Zeit hatten Groth und seine 53 Mitstreiter um auf dem Rheinsteig, einem Fernwanderweg entlang des Rheins, von Wiesbaden nach Bonn zu kommen. Wanderer absolvieren die Strecke in 22 Tagesetappen.

Los ging es mittwochabends um 18 Uhr in Wiesbaden. Bis zum ersten Verpflegungspunkt bei Kilometer 17 ging es noch recht unspektakulär vonstatten. Erst ab da ging der WiBoLt, wie der Lauf heißt, eigentlich erst richtig los. Bergauf und bergab ging es auf schmalen Naturpfaden entlang des Rheins Richtung Bonn. Nach rund 75 gelaufenen Kilometern ist die erste Nacht überstanden. Nun wird es allerdings immer wärmer und schwüler, so dass die Läufer sich fühlen als ob sie in der Sauna unterwegs wären. Am Nachmittag erreicht der Oldenburger dann die Loreley. Zeit für einen etwas ausgiebigeren Stopp. Er nutzt die Pause für eine Dusche und einen Klamottenwechsel.   

 

„Hatte ich mich anfangs für die schwereren Schuhe entschieden, nehme ich nun leichtere! Die Verpflegung und der Service sind klasse, hier sind Sportler am Werk. Gemüsesuppe, Kaffee und belegte Brötchen, einfach klasse!“

Für die ersten Läufer ist hier aber bereits Schluss. Die Hitze und Strapazen fordern ihr Tribut.  

 

In der Nacht lässt die Schwüle nach und es beginnt zu regnen. Zu allem Unglück verpasst er einen Verpflegungspunkt, so dass die zweite Nacht zu einer echten Nagelprobe wird. „Ich wurde immer müder, bin mehrfach beim Laufen eingeschlafen und hatte Halluzinationen. Nichts schien mehr normal, ich habe schon gar nicht mehr zur Seite geschaut. Zwischendurch musste ich mich für 5 Minuten auf eine Bank setzen und die Augen schließen“, erzählt er. In Braubach gönnt er sich dann auf dem Boden des Gemeindehauses eine zweistündige Schlafpause. Wenig erholt, aber durchgefroren machte er sich wieder auf den Weg. Auf dem Weg hoch nach Lahnstein mussten die Läufer nun auch noch zusätzlich kleinere Kletterpassagen absolvieren. In der Folge machte sich der Schlafmangel zunehmend durch Konzentrationsschwäche bemerkbar, so dass sich der 44jährige Oldenburger mehrfach verlief.

 

„Ich war zu dem Zeitpunkt in einem Scheißegal-Modus. Lief einfach wie ein ferngesteuerter Zombie, weiter und weiter und weiter. Willst du einen Ultramarathon finishen, musst du einfach nur immer einen Fuß vor den anderen setzten bis du im Ziel angekommen bist“, erinnert er sich an diese Phase des Rennens zurück. Nun wurde es auch noch nebelig, was die Suche nach dem richtigen Weg noch deutlich erschwerte. Knappe 90 km vor dem Ziel gönnte er sich noch einmal eine dreistündige Schlafpause, bevor es frischgeduscht weiterging.

„Der Schlaf hat mir gutgetan und ich war bester Laune. Nur noch 65 KM, es wurde zwar wieder sehr warm, aber ich nutzte nun jede Gelegenheit mich abzukühlen. Jeder Bach, jeder Brunnen, nichts war vor mir sicher“.

 

Der Zieleinlauf bei solch einem Ultra ist recht unspektakulär, mitunter einsam. Im Ziel saßen zwei Läufer die vor dem Oldenburger angekommen waren und klatschten müde Applaus. „Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht wirklich klar, was ich da soeben beendet habe, recht teilnahmst- und regungslos befindet man sich in einer Art Parallelwelt“. Am Ende überquerten gerademal 26, der gestarteten 53 Läufer, die Ziellinie.