Gehrichter leisten ihrer Sportart einen Bärendienst bei NDM in Jüterborg

Das sportliche Gehen gehört nicht gerade zu den boomenden Disziplinen innerhalb der Leichtathletik. Selten genug kommen Deutschlands Geher heutzutage noch in den Genuss gemeinsam mit den Athleten der anderen Disziplinen ihren Sport auszuüben. So gibt es z.B. im Rahmen der Deutschen Meisterschaften mittlerweile keine eigenen Geherwettbewerbe mehr. Stattdessen fanden diese separat in Düsseldorf statt. Da sollte man eigentlich meinen die Verantwortlichen würden die Gelegenheit nutzen und bei der NDM in Jüterborg Werbung für ihre Disziplin zu machen. Leider war das Gegenteil der Fall.

Schon das organisatorische Drumherum war einer Norddeutschen Meisterschaft nicht würdig. Keine Tafel zeigte den Sportlern an wieviel Runden sie noch zu gehen hatten, was selbst bei kleinen Dorfsportfesten mittlerweile gängiger Standard ist. Die Tafel die den Gehern anzeigen sollte ob und wie viele rote Karten sie bereits erhalten haben stand schlecht sichtbar auf dem Boden und wurde häufig vom Gehrichter, der Runden Zahlerin oder anderen Leuten, die sich aus welchem Grund auch immer in diesem Bereich aufhielten, verdeckt. Anträge auf rote Karten wurden von den Gehrichtern selbst quer über den Platz getragen um sie dem Obmann zu übergeben. Inclusive diesem waren gerademal vier Gehrichter im Einsatz.

Bereits früher am Tag beim Wettkampf der Frauen hatte es Beschwerden über die Leistungen der Gehrichter gegeben. So auch am Abend bei den Männern. Von einer geraden Linie bei den Entscheidungen konnte wahrlich keine Rede sein. Besonders deutlich wurde dies im direkten Vergleich zwischen Andreas Ritzenhoff (VfL Oldenburg) und dem späteren Sieger Robert Schneider (SC Potsdam). Vom Start weg setzte sich das Duo vom restlichen Feld ab und blieb fast das gesamte Rennen zusammen, was einen Vergleich des Gehstils der beiden Kontrahenten einfach machte. Während Ritzenhoff zweimal Gelb und dreimal Rot sah, was zur Disqualifikation zwanzig Meter vor dem Ziel führte, kam Schneider komplett ohne Verwarnung über die Runden. Sehr zur Verwunderung nicht nur von Ritzenhoff. Gehrichter Joachim Bauer, der selbst am Wettkampf teilgenommen hatte und nach zwei roten Karten kopfschüttelnd aufgegeben hatte, konnte die Disqualifikation Ritzenhoffs nicht nachvollziehen. „Ich habe Andreas über mehrere Runden beobachtet und konnte nichts entdecken was eine Disqualifikation rechtfertigen würde“. Überrascht waren auch die Zuschauer die eher den Potsdamer als den Oldenburger als Kandidaten für eine Rote Karte gesehen hatten, da dieser den deutlich unsaubereren Gehstil hatte und nur andeutungsweise eine Kniestreckung hinbekam, was auch videoaufnahmen belegen. Die Tatsache, dass er außer Konkurrenz am Start war entschuldigt nicht die unterschiedliche Strenge mit der die Gehrichter die Regeln auslegten. Die Tatsache, dass der VfLer zwanzig Meter vor dem Ziel aus dem Rennen genommen wurde zeugt von wenig Fingerspitzengefühl von Seiten des Obmanns. „Da ich die Tafel nicht sehen konnte war mir nicht bewusst, dass ich schon eine rote Karte bekommen hatte als ich in die letzte Runde ging. Als dann zwanzig Meter vor dem Ziel die Disqualifikation kam, war ich wie vor den Kopf geschlagen. Und dann sagt mir der Kerl auch noch er wollte mir das nicht antuen, mir direkt nach dem Zieleinlauf die Karte zu zeigen. Dann hätte ich wenigstens eine Zeit gehabt, schließlich war ich auf Bestzeitenkurs“, erzählte Ritzenhoff nach dem er sich wieder einigermaßen gefangen hatte. Auch Bauer konnte nur den Kopf über seine Kollegen schütteln. „Das macht man einfach nicht, jemanden so spät noch aus dem Rennen zu nehmen“. Als er dann zum Obmann ging um zu erfahren warum er disqualifiziert worden ist, wollte dieser ihm erst keine Antwort geben. So weiß er auch nicht genau zu welchem Zeitpunkt er die roten Karten bekommen hat. Voraussichtlich eine in der drittletzten und zwei in der vorletzten Runde. „Ich habe während des Rennens auch nur zwei Verwarnungen bekommen. Einmal wegen Kniestreckung und das andere Mal wegen fehlenden Bodenkontakts. Beides Mal vom gleichen Gehrichter. Da haben mir die anderen die Rote Karte gezeigt ohne vorherige Verwarnung, so dass ich nicht mal die Chance hatte was zu ändern. Das ist schon ziemlich unfair und sehr enttäuschend. Da frage ich mich natürlich ob ich mir das weiterhin antuen soll und stundenlang zu Wettkämpfen zu fahren um dann aufgrund einer Disqualifikation das Rennen nicht beenden zu können“, hatte er keinerlei Verständnis für das Verhalten der Gehrichter. So ging es auch anderen Athleten die Zeugen dieses Geschehens wurden. „Da bringt man seine Leistung und ist dann der Willkür irgendwelcher Kampfrichter ausgesetzt. Da höre ich lieber mit der Leichtathletik auf bevor ich auf diese Disziplin umsattle“, äußerte sich einer der zuschauenden Sportler. Ähnliche Kommentare kamen auch von mehreren anderen Athleten. An diesem Abend hat der Gehsport, den Gehrichtern sei Dank, sicherlich keine neuen Freunde gefunden. Schade eigentlich, dass diese Chance so fahrlässig verschenkt wurde.

Bei all dem Ärger traten die Erfolge zweier anderer VfLer fast schon in den Hintergrund. Als erstes war Hans Jürgen Lay an den Start gegangen. Gleich mit seinem ersten Versuch zeigte er der Konkurrenz wo der Hammer hing. Seine 6,47 m sollten die weiteste Weite an diesem Tag bleiben. Da nur vier Springer an den Start gegangen waren, musste Lay seine sechs Versuche innerhalb von vierundzwanzig Minuten absolvieren, was am Ende deutlich an seinen Kräften zehrte, so dass auch er sich nicht mehr steigern konnte.

Über 400 m musste sich Bernd Teuber mit niemand geringerem als Roland Gröger, dem Hallenweltrekord über diese Distanz, auseinandersetzen. Von daher konzentrierte er sich von vorneherein auf den Vizemeistertitel der durchaus im Bereich des Möglichen lag. Als Burghardt Funk ausgangs der zweiten Kurve am Oldenburger vorbeizog und schnell einen Vorsprung von zehn Metern herausgelaufen hatte sah es ganz danach aus als ob sich der VfLer mit dem dritten Platz zufrieden geben müsste. Aber dieser war fest entschlossen Vizemeister zu werden und konnte mit einem harten Schlussspurt auf den letzten Metern seinen Konkurrenten noch abfangen. In 61,18 Sek. hatte er am Ende einen hauchdünnen Vorsprung von 3/100 auf den Bronzeplatz. „Ich habe mich gefragt, was ist denn da an mir vorbei gepflogen“, erzählte Burkhardt nach dem Rennen wie er die letzten Meter des Laufs erlebt hat.